Mittwoch, 14. April 2010

Der Abwehrzauber

Bei Sanierungsarbeiten wurden im Schloss Liedberg in Korschenbroich am Niederrhein Schuhe gefunden. Acht säuberlich eingemauerte, viel getragene und ausgelatschte Schuhe. Männerschuhe, Frauenschuhe, Kinderschuhe. Eingemauert in Gerüstbalkenlöcher im Turm, in zwölf Metern Höhe.

Diese Schuhe wurden nicht eingemauert, damit wir sie heute ausgraben und uns den Kopf über ihre Träger zerbrechen. Vermutlich gehörten sie den Schlossbewohnern. Sie sollen, obwohl heute ziemlich unansehnlich, kostbar gewesen sein.
Eine Bauforscherin vor Ort vermutet einen "heute völlig vergessenen Abwehrzauber, über den es nirgendwo Berichte gebe". Sie spricht von etwa 1000 Vergleichsfunden in ganz Europa, die zumeist in der Nähe von Fenstern oder Kaminen eingemauert waren. An diesen "Schwachstellen" sei wohl der Schutz vor bösen Mächten als besonders nötig gesehen worden. Seltsam nur, sagt die Expertin, "dass der Brauch heute so komplett vergessen ist." Spekuliert wird, ob er auf Quellen aus England zurückgehe, wo ein volkstümlicher Heiliger im 13. Jahrhundert den Teufel mit seinem Stiefel gefangen haben soll.

Die wohl im 14. Jahrhundert errichtete wehrhafte Burg wurde 1708 zu einem Barockschlösschen umgebaut. Damals bereits, stellen nun die Forscher fest, wurden die ersten Schuhe im Turm eingemauert. Das jüngste Paar, eine Mumie maschinengenähter Männerschuhe, ordnen sie dem 19. Jahrhundert zu.

Wissenschaftlich belegt ist nichts. Aber die Denkmalschützer achten die Bräuche der Ahnen und mauern die Schuhe wieder in die ursprünglichen Balkenlöcher zurück. Der heutige Schlossbesitz fügt ein persönliches Paar dazu, ausgetretene Herrenschuhe, Größe 44. Darin mag es sich der Teufel bis zur nächsten Routinerenovierung bequem machen.

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