Ich bin nicht abergläubisch. Ich glaube weder an einen Dreizehnten noch an einen Freitag oder Montag noch an ein Unheil an einem Samstag. Vollmond ist erst übermorgen. Die ganze Woche war in tiefes Blau getaucht. Und heute ist der Tag des Grün. Grün wie Gras. Ich mähe Rasen. Rund um unsere Häuser. Das kostet mich einen halben Tag. Ich mähe und reiße Unkraut aus, grabe Ahorntriebe aus und fälle mit der Baumschere unerbittlich, ja grausam, denn sonst überfällt eines Tages der Ahorn uns und unsere Häuser, junge Ahornbäume, Ahornschonungen, ganze zukünftige Ahornwälder verlagere ich in die Biotonne, dann entferne ich suppentellergroße Pilze aus dem Moos, grabe stachlige Hagebuttentriebe aus, ziehe grüne Gartenhandschuhe an und nähere mich mutig den Brennnesseln und Disteln. Grabe Giersch aus, ziehe kilometerlange Gierschwurzeln aus dem Boden und weiß, dass dem Giersch trotzdem nicht beizukommen ist. Sammle grüne gefallene Äpfel ein. Und (heute zum ersten Mal) fasse vorsichtig gefallene grünstachlige Maronen an. Suche bunte Ahornblätter. Der kleinen Eule erkläre ich, dass ich leider lärmen muss mit dem Rasenmäher, sonst werde ich nicht Frau des Grün. Die große Eule ist heute ausgeflogen. Wahrscheinlich ist sie immer am Dreizehnten eingeladen zum Kaffee bei ihrem Liebsten.
Ab heute ist die Grenze zwischen den beiden Grundstücken endgültig aufgehoben. Nun liegt eine Wiese vor dem Küchenfenster - und nicht mehr zwei Wiesen getrennt durch einen Streifen dunkler (nasser) oder heller (trockener) Erde, auf der die Turteltauben, Grünspechte, Drosseln, Meisen und Spatzen sich lüstern tummeln und unsere Grassamen wegpicken.
Das Gras ist trotzdem gewachsen. Die Grenze ist trotzdem verschwunden. Vor und hinter den Häusern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen