Noch poltert Pendereckis Dies irae unter meiner Brust. An Schlaf ist an einem solchen Morgen nicht zu denken. Ich schlage polnische Zeitungen auf und frage mich, wo die aufrüttelnde Kraft abgeblieben ist, die Penderecki vor einem Vierteljahrhundert in Klänge zu bannen vermochte?
Fanatische Kreuzritter vor dem Präsidentenpalast in Warschau. Fanatische Patrioten in Ossów. Ein allein gelassener eineiiger Zwilling, der sich schlimmer aufführt als eine allein gelassene Liebe, der emotional angeschlagen geistige Brandstiftung quer durchs Land betreibt.
Lacrimosa dies illa ... 96 Menschen starben beim Flugzeugabsturz von Smolensk. Falls es einen Gott gibt, dann hoffen wir doch, dass vor seinem letzten Gericht alle gleich behandelt werden. Ungeachtet dessen, wen sie auf Erden zurückgelassen haben ... qua resurget ex favilla judicandus homo reus.
Liber scriptus proferetur ... die Polen haben ein erschreckend kurzes Gedächtnis. Bereits beginnen einstige glühende Anhänger laut über die Rolle des verlassenen Zwillings als Oppositionführer nachzudenken. Er beschädige das Andenken des verstorbenen Präsidenten, heißt es. Oder: Mit ihm sei kein Schritt in die Zukunft mehr möglich. Fachleute wie Trauertherapeuten bestätigen ihm hingegen vorbildliches Trauern. Wie aus dem Lehrbuch. Nur: Trauern bedarf eines geschützten Raums, sagen sie. Trauern habe keinen Platz auf dem blank polierten Parkett der Politik ... in quo totum continetur, unde mundus judicetur.
Libera animas omnium ... Nur Künstler sind Gratwanderer von Gottes Gnaden. Weder Zwillingen noch Politikern ist dies vergönnt ... fidelium defunctorum de poenis inferni.
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