Ich erwache an der Weichsel.
Wie immer, wenn ich in Warschau schlafe, erwache ich an der Weichsel. In meiner Heimat. Durch meine Heimat fließt die Weichsel. Durch meine Träume fließt die Weichsel. Durch meine Trauer fließt die Weichsel. Durch mein Leben fließt die Weichsel. Durch meinen Tod fließt die Weichsel.
Ich packe meine Siebensachen.
Ich wollte kein Buch kaufen, da ich meine eigenen Bücher durch die Welt trage. Gestern lag in einem Buchladen in Warschau plötzlich "Miasto Boga" von Paulo Lins vor mir. Noch nie habe ich ein Buch von Paulo Lins gesehen. In keiner Sprache der Welt. In keiner Buchhandlung der Welt. Paulo Lins war mein Vorgänger im ULNÖ. "Miasto Boga". Originaltitel "Cidade de Deus". Zu deutsch vielleicht Die Stadt Gottes. Oder Gottesstadt. Oder Gottstadt. Komposita gibt es nur im Deutschen.
Ich packe in Warschau Paulo Lins polonisierte Stadt Gottes in mein Handgepäck.
Ich habe heute viel Zeit zum Nachdenken. Ich verlasse Warschau, meine Heimat, fliege über Wien nach Basel, fahre über Olten, Langenthal nach Menznau. Dort ist in der Zwischenzeit die Schuhmacherdynastie um eine Prinzessin reicher. Emily, die auf Seite 325 meines Schuhmacherbuches gezeugt wurde, ist gesund etwas zu früh in Singapur auf die Welt gekommen.
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