Sonntag, 2. September 2018

Sonntag - Das Grab

Ich sitze eine Stunde auf dem Friedhof und schaue abwechselnd in den Himmel und auf den Schleifenberg. Nomen est omen. Die Gedanken ziehen Kreise. Schleifen sich ab. Meine Geschwister haben unseren Eltern das gemeinsame Leben im Jenseits so präpariert, dass der Streit auch dort ewig weitergehen kann. Hier sorgen sie selbst dafür, dass er nie versiegt. Nur mich erreicht er nicht mehr. Ich habe meine Familie schon lange verlassen. Etwa so, wie man einen fahrenden Zug, etwa den Orient Express, oder die Transsibirische Eisenbahn, irgendwann, spontan oder geplant, an einer vorgesehenen oder unvorgesehenen Haltestelle verlässt. Der Zug fährt weiter, denn das ist seine Aufgabe. Er hat kein Ziel. Nur eine Richtung. Und die kann er jederzeit ändern. Ich steige in Liestal in den EC, der mich ohne Umsteigen nach Hamburg bringt. Ich bin auf dem Weg zurück ans Wattenmeer. Kurz vor Harburg, es ist kurz vor Mitternacht, meldet mein Smartphone, dass der letzte Zug nach Westerland ausfällt. Auf so eine App ist immer Verlass. Auf die Deutsche Bahn auch. Sie bezahlt das Taxi, das mich und zwei weitere Reisende, einen Dithmarscher und einen Nordfriesen, nach Hause bringt. Im Dunkel der Nacht schließe ich meine Tür auf - Rasputin wartet im Flur.

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