Auch die gibt es. Alles geschieht vor unseren Augen am Anleger. Keiner kommt unbemerkt, keiner geht unbemerkt. Als wir im April bei den Ringelganstagen über den Friedhof spazierten, war eine Grube frisch ausgehoben und das Wasser wurde abgepumpt. Zuviel Meer im Boden. Heute fand man einen jungen Saisonarbeiter erhängt, der erst vor zwei Tagen mit nur einer Tasche über der Schulter an mir vorbei auf die Hallig marschierte. Liebeskummer. Der Notarzt kam mit dem Hubschrauber und der scheuchte Gänse und Halligvögel auf. Die Hoogener Feuerwehr musste anrücken, trotz Sonntag, trotz Mittagessenszeit, wie bei jedem Hubschraubereinsatz.
Polizei und Bestatter kamen von Amrum mit dem Seenotretter. Hooge hat einen Halligeigenen Leichenwagen. Schmuck, klein. Die im April Verstorbene wurde auf der Kirchwarft zur letzten Ruhe gebettet. Der junge Mann verließ die Hallig im Leichensack. An Bord der Ernst Meier-Hedde. Und uns fuhr es kalt über den Rücken. Seine Reisetasche trug nun einer der Feuerwehrmänner. Letzten Sonntag wurde in der Halligkirche das Opfer für genau solche Einsätze mit dem Seenotrettungskreuzer aufgenommen. Heute früh verkündete der Halligpastor, wie jeden Sonntag nach der Predigt, die Summe des Opfers vom letzten Gottesdienst. Sie lag, wenn ich mich recht entsinne, bei etwa 170 Euro. Der Halligpastor redet gerne vom "Wunder von Hooge". Aber der heutige Einsatz dürfte ein Vielfaches des Hoogener Sonntagsopfers gekostet haben. In jeder Hinsicht. Die Ernst Meier-Hedde lag lange vor unseren Augen. Die Hauke Haien kam und ging, die See-Adler, die Adler Express, die seit gestern wieder im Einsatz ist, die Hilligenlei ... Es versammelten sich ungewöhnlich viele Halliggäste am Anleger. Und da stand, unübersehbar, der Einsatzwagen der Feuerwehr. Die Männer in Schutzwesten. Der Leichenwagen. Sonntag. Nachmittag. Ferien. Sonne. Ablandiger Wind (sofern das hier überhaupt möglich ist). Ankommende. Abreisende. Alle guckten erschrocken. Zuviel Signalfarbe. Der Hubschrauber kreiste über der Ockenswarft und die Vögel flohen in Scharen in den Himmel. Ein Stier auf der Halligwiese brüllte den ganzen Tag aus Leibeskräften nach seiner Kuh und bekam sie nicht. Die Halligkrankenschwester raste schließlich im Dienstwagen auf den Anleger zu und brachte die Polizistin an Bord, die das Protokoll der Übersetzung des Abschiedbriefes aufgenommen hatte. Und dann war plötzlich alles vorbei.
Den Einsatz habe ich auch miterlebt und mir einen Schauer über den Rücken gejagt... Trauriges Schicksal das zeigt dass auch das paradiesische Hooge nicht immer paradiesisch ist...
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