Bevor er wegfuhr mit dem ersten Zug am Montag früh, erzählte mir W. eine Geschichte. Und die ging so:
"Die Brücke liegt. Die Brücke liegt schon lange Zeit. Die Brücke liegt über einem Fluss. Unter der Brücke fließt es. Unter der Brücke fließt immer schon das Wasser hinweg. Über die Brücke führt eine Straße. Auf ihr überqueren Menschen den Fluss. Oder Fahrräder. Autos. Lastwagen. Auch Tiere laufen über die Brücke. Zum Beispiel die Mäuse. Aber die Rehe nicht. Die fürchten sich vor der Luft zwischen der liegenden Brücke und dem fließendem Wasser.
Die Brücke liegt und langweilt sich. Das Wasser fließt unter ihr weg und sagt immer dasselbe: "Oh, schon wieder eine Brücke!" Aber ehe die Brücke antworten kann, ist der eine Schwall Wasser weg. Und der nächste Schwall kommt mit demselben Satz. Die Brücke hat es aufgegeben, zu protestieren gegen dieses Vereinfachung "Schon wieder eine Brücke!" Sie ist immer zu spät. Der Schwall Wasser immer schon vorbei. Also liegt die Brücke und schweigt. Sie weiß, dass es eine zweite Brücke wie sie nicht gibt. Jede Brücke ist nur einmal. Den Menschen, die auf der Straße über der Brücke unterwegs sind, kann die Brücke ihre Beobachtungen nicht mitteilen. Sie sind in Maschinen unterwegs, kennen keine Sprache, bedienen sich nur seltsamer Signale wie hupen, klingeln oder kreischen.
Eines Abends vertraut sich die Brücke einer Maus an. Die Maus ist vorsichtig, geht den Menschen und dem Wasser aus dem Weg. Das gefällt der Brücke. Der Maus gefällt es, dass die Brücke immer liegt. Deshalb kommt sie immer wieder."
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