Mittwoch, 16. Dezember 2009

Selbstreinigungsmechanismen

Es ist Winter geworden an der Nordsee. Kalt und Klar. Heute mit eisigem Westwind. Also auflandig. Trocken. Gutes Wetter für ausgedehnte Spaziergänge, solange es hell ist. Soll die Selbstreinigungskraft des Hirns stärken.

Ich nehme, wie gesagt, die Wörter dort, wo sie mir zufallen. Oder auffallen. Gestern las ich den Satz "Herr Priklopil war sehr auf Hygiene bedacht." Mich verblüffte dieser Satz. Ich kenne diesen Mann nicht. Wahrscheinlich kennt ihn niemand. Aber dass jemand, der ein zehnjähriges Mädchen entführt und über acht Jahre lang im Keller seines eigenen Hauses gefangen hält, an Waschzwang und Putzwut leidet, seinem Opfer angeblich nicht erlaubte zu weinen, weil Tränen Salzränder hinterlassen (wo, bitte? möchte ich an dieser Stelle fragen - musste Herr Priklopil auch die Wangen seines Opfers unablässig reinigen?), es aber gleichzeitig in einem, wie es heißt "feuchten, kalten ekelhaften" Verlies einsperrte, klingt seltsam widersprüchlich.

Heute lese ich den Satz "Die fehlende Hygiene wird die Schweiz bitter büssen." Da bleibt jedem aufrechten Helvetier die Spucke weg. Ausgerechnet die Saubermänner sollen sich so etwas sagen lassen müssen! Die UBS würde "aus Staatsräson" geschont, schreibt der Kommentator des Tagesanzeigers (und ich gebe ihm in Klammern vollkommen Recht).

Aber hauptsächlich frage ich mich nun, aus rein lexikalischen Gründen, was ein Herr Ospel mit einem Herrn Priklopil gemeinsam haben könnte, denn beide Namen tigern plötzlich durch die Weltpresse in Gesellschaft dieses Wörtchens "Hygiene".

Es ist nicht wichtig, was gesagt oder geschrieben wird. Wichtig ist einzig und allein, in welchem Kontext etwas gesagt oder geschrieben wird.

http://www.tagesanzeiger.ch/meinungen/dossier/kolumnen--kommentare/UBS-wird-aus-Staatsraeson-geschont/story/14125133,

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