Ich sammle die Wörter dort ein, wo sie mir zufallen. Lesen tu ich nur noch unwillig. Hören kann ich nur noch unregelmäßig. Das hat mit meinen inneren Stimmen zu tun. Schreiben ist so etwas wie Durchdrehen. Fleischwolf. Etwas spaltet sich ab oder auf oder beides. Entzweit sich und mich.
Gerade eben aber spitzte ich meine beiden Ohren bis hoch unters Dach. So elektrisiert war ich plötzlich. Der Musikphysiologe und Neurologe Eckart Altenmüller sprach im Radio von Gänsehauttheorien und Gänsehautforschern, vom Gänsehautgefühl, von Gänsehauterlebnissen, von Gänsehautstellen, von der Gänsehautwahrscheinlichkeit, von Gänsehautmusik. Von starken Gänsehäutlern und schwachen Gänsehäutlern. Von der Gänsehautmessbarkeit. Davon, was gänsehautverdächtig sein kann und es dann doch nicht ist. Davon, wie die Gänsehaut mit unserem Gedächtnis zusammenhängt. Davon, wie die Gänsehaut verbessert werden kann. Davon, wie die musikalische (es gibt auch andere) Gänsehaut von unserer Hörbiographie oder Instrumentenerfahrung abhängt. Davon, dass Gänsehaut privat ist und beglückt, wir sie aber dennoch weder steuern noch kontrollieren können. Davon, dass Leute in sozialen Berufen wie etwa Ärzte und Krankenschwestern viel stärkere Gänsehäutler sind, als Leute in technischen Berufen, Ingenieure oder Physiker. Davon, dass die Gänsehautwahrscheinlichkeit in einer Gruppe rapide ansteigen kann, zB in unserem konditionierten Kulturkreis in einer vollen kalten Kirche während des Weihnachtoratoriums. Dass dabei gigantische Gänsehäute entstehen können, regelrechte Gänsehautstürme.
Höchst gänsehautanregend. Zum Nachhören hier: http://www.ndrkultur.de/media/audio22762.html
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