Dienstag, 29. Januar 2008

skyline

Gestern kaufte ich einen himmelblauen Wäschekorb mit grasgrünen aufklappbaren Beinen. Für unsere Wäsche und die Leine im Garten, die wir von den Vorbesitzern übernommen haben. Sie ist quer über die eine Rasenhälfte gespannt, von unserer Garagenrückwand bis zur Garagenquerwand des Nachbarn. Etwa in der Mitte hält die Leine ein himmelblau angemalter Eisenstab in die Luft, sturmsicher in den Boden gerammt, vielleicht sogar einbetoniert. An diese eine lange Leine passt bis auf das letzte Taschentuch genau der Inhalt einer Waschmaschine. Perfekt eingerichtete Sommerwelt! Vor uns wohnte hier eine Finnin mit ihrem deutschen Mann. Hoch die klugen Ausländerinnen! Mir fehlte bislang zum absoluten Glück nur der richtige Wäschekorb. Ich hänge die Wäsche nämlich auch im Winter draußen auf. Das habe ich mir in Japan angewöhnt. Den richtigen Wäschekorb fand ich gestern zufällig bei „Wandmaker“. „Wandmaker“ ist gerade im Begriff, zu „sky“ zu werden, deshalb herrscht im Innern des Ladens ein unbeschreibliches Chaos. Und außen tröstet in großen Lettern der Spruch: „Wir bauen um und sind trotzdem für Sie da“. Innen sind die meisten Waren unordentlich in Körben aufgetürmt und werden zu Spottpreisen verramscht. Außen – auf meinem Kassenzettel, den ich auf dem Weg zum Fahrrad studiere – steht „Küchenhelfer Klein“ und der Preis in Ziffern. Ich fahre frohlockend nach Hause. Ich werde, wann immer das Wetter es erlaubt, den kleinen Küchenhelfer in den Garten tragen und muss mich nie wieder bis zum Boden hinab bücken beim Wäscheaufhängen. Hoch die klugen Ausländerinnen!

Aber welcher Teufel reitet mich, mich hier für meine altersbedingten Bequemlichkeiten zu rechtfertigen? Eine Ausgabe von Fünf Euro Neunundneunzig heranzuziehen? Die Sinnlichkeit ausfahrbarer schlanker Wäschekorbbeine zu beschwören? Den unkontrollierbaren Kaufrausch in einer in Auflösung begriffenen Ladenkettenordnung ...

In Wirklichkeit traf mich beim Verlassen des Ladens, der momentan weder Fisch noch Fleisch ist, weder Wandmaker noch sky, ein Blitz aus heiterem Himmel. Einsichten kommen immer ungefragt. Die Glastüren öffneten sich wie immer automatisch und geräuschlos. Aber meine Gedanken veranstalteten plötzlich einen Höllenlärm. Kreischten und schwangen wie auf einer Kinderschaukel hin und her. Im Kopf. In der Brust. Hin und her. Immer schneller. Immer höher. Im Nacken. Auf der Stirn. Hier quatscht dich keiner an. Vor Wandmaker stehen, wie vor allen anderen Einkaufsmöglichkeiten dieser Stadt, nur blitzblanke Autos. Ein ganzes Meer von leeren Autos. Hier fragt dich keiner, hastemalneuro? Hier bietet dir keiner Tag für Tag die gleiche zerfledderte Obdachlosenzeitung an, den Scheinschlag oder die Stütze und wie sie alle heißen. Hier hocken sie nicht am Boden herum mit Hunden und leeren Pappbechern und betteln mit einem entwaffnenden Lächeln nur nach etwas Kleingeld, kannauchkupfersein ...

Einsichten kommen immer ungefragt. Nach über vier Monaten ist mir bewusst geworden, dass mich hier keiner wahrnimmt. Dass mich keiner braucht. Dass ich vollkommen allein bin. Unter diesem endlosen Himmel.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen