In unserem Haus verschwindet Wasser. Genauer gesagt: in unseren beiden Häusern verschwindet Wasser. Wir haben die beiden Doppelhaushälften miteinander verbunden, indem wir im Innern eine Brandmauer einreißen ließen. Wir haben die beiden Grundstücke miteinander verbunden, indem wir sie im Grundbuch zusammenlegen ließen. Aber noch immer werden beide Hälften von ihrer eigenen Heizung beheizt. Wir haben zwei gesonderte Heizkreisläufe. Im einen Haus hängt in der Garage ein Micromat. Im anderen Haus hängt neben der Sauna eine Kesseltherme. Beides sind Gas-Zentralheizungen. Und aus beiden Kreisläufen verschwindet Wasser. Wohin, das wissen wir nicht. Warum, das wissen wir nicht. Aber wir wissen, denn die Vorbesitzer sagten es uns, dass dies immer so war. In der Garage, die wir nicht benützen, ist ein Schlauch vom Wasserhahn zum Ventil am nächstgelegenen Heizkörper fest installiert. Den dreht W. einmal im Monat auf, wartet bis der rote Zeiger am Thermo-Manometer zitternd 2 bar erreicht und dreht ihn dann wieder zu. Fertig. Die Kesseltherme hängt zwischen Sauna und Dusche, die wir beide regelmäßig benützen. Auch eine Toilette befindet sich im Raum, die wir je nach Bedarf benützen. Aber wir können weder mit dem Wechselduschkopf noch mit der Toilettenspülung das im Heizkreislauf verschwundene Wasser nachfüllen.
Also maßen wir die Distanz vom Heizkörper mit Ventil zum nächst gelegenen Wasserhahn. Das war noch im letzten Jahr. Und kauften vor fast genau einem Monat bei Nilsson zehn Meter Gartenschlauch. Wieder zu Hause angekommen, mussten wir erkennen, dass der Gartenschlauch am Anfang und am Ende offen war und sich nie und nimmer an eine Wasserleitung anschließen lassen wollte. Geschweige denn an ein Ventil am Heizkörper. Wenn wir dieses nämlich öffneten, zischte sofort böse Wasser heraus, statt hinein. Gartenschlauch hin oder her. Zehn Meter lang oder nicht.
Gestern machten wir uns erneut auf zu Nilsson. Draußen regnete es. Aber der rote Zeiger am Thermo-Manometer zwang uns, zu handeln. Ein freundlicher Verkäufer hörte sich die Geschichte geduldig an und verkaufte uns zwei Gardena Wasserstopp und zwei Hahnanschlussstücke. W. fuhr daraufhin nach Heide in sein Büro. Ich fuhr nach Hause. Dort angekommen, musste ich erkennen, dass das eine Anschlussstück an das Ventil passte, das andere aber nicht an den Wasserhahn. Also fuhr ich am Nachmittag nochmals zu Nilsson. Draußen regnete es immer noch. Ich hatte den ganzen Wasserhahn abgeschraubt und auf den Gepäckträger geschnallt. Derselbe freundliche Verkäufer lief damit etwa zehn Minuten kreuz und quer durch den Laden. Ich trabte hinterher. Guckte ihm wie ein Pferd über die Schulter. Schließlich war es mein Wasserhahn. Dann drehte er endlich ein Stück auf das andere und sagte: „Bitte!“. Ich fuhr durch den Regen zurück, kaufte unterwegs Milch und Klopapier, schraubte in der halben Garage, die in Kürze zu W’s Fitnessraum umgestaltet wird, den Wasserhahn mit dem doppelten Hahnanschlussstück wieder an die Wasserleitung.
Heute füllten wir den zweiten Heizkreislauf mit Frischwasser auf. W. stand am Heizkörper und drehte das Ventil auf. Ich stand zehn Meter entfernt und drehte den Wasserhahn auf. W. rief begeistert, der rote Zeiger bewege sich. Aber dann schrie er bereits „stopp!“. Schade, es war gerade so schön.
Wohin aber das Wasser läuft, wenn es verschwindet, wissen wir immer noch nicht. Warum uns das Wasser verlässt, verstehen wir nicht. Wir erklären es so, dass es uns nicht mag und darum wegläuft. Warum das aber so bleiben soll, für alle Ewigkeit, werden wir wohl nie erfahren.
P.S.: W. besteht auf einem Postscriptum in indirekter Rede. Er wisse, sagt er, wohin das Wasser verschwinde, es verdampfe nämlich. Ach, sage ich, das wusste ich nicht. Aber, fährt er fort, er könne sich nicht erklären, wie Wasser in einem geschlossenen System verdampfen könne. Ich auch nicht, sage ich.
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