Das einzige, was beim Umzug zu Schaden kam, war die rechte verspiegelte Tür unseres Badezimmerhängeschranks. Es war eine der letzten Handlungen der Umzugsmänner. Nachdem sie alle anderen Zimmer ausgeräumt hatten, sämtliche Bücher eingepackt, sämtliche Kisten aus der Wohnung getragen hatten, verblieb noch das hundertjährige Liegnitz. Und der Spiegelschrank im Bad. Das Klavier sparten sich die Träger bis ganz zuletzt auf. Sie mussten es die paar Stufen bis zur Haustür im Flur hinunter tragen. Und dann nochmals fünf Stufen auf die Strasse hinunter. Und über den Bordstein auf den Umzugswagen. Aber das erledigte die Hebebühne. Zuerst machte sich also ein Mitarbeiter der Firma Zapf mit federnden Schritten daran, den Schrank im Bad abzumontieren. Kaum hatte er den Bohrer angesetzt, krachte die eine Spiegelschranktür auf den gefliesten Boden und zerfiel in tausend Stücke. Der Monteur war einen Moment sprachlos. Und dann, als er seine Sprache wieder gefunden hatte, wiederholte er immer wieder „das verstehe ich nicht …, das verstehe ich nicht …, das verstehe ich nicht …“.
Wir fegten die Scherben zusammen, ich mahnte ihn zur Vorsicht, er blutete bereits an einem Finger. Dann sog ich mit dem Staubsauger die restlichen Splitter auf. Die Scherben durfte ich nicht wegwerfen, die müssten in die Firma. Und die unversehrte linke Spiegeltür würden sie mitnehmen, damit in der Werkstatt eine Tür in identischer Größe angefertigt werden könne. Und die bekämen wir dann an die neue Adresse geliefert. So weit, so gut. Als die Männer das Klavier hinaus trugen, verkroch ich mich in die hinterste Ecke der leeren Wohnung. Ich konnte es nicht mit ansehen. Ich spürte, dass da eben etwas Grundsätzliches zu Boden gegangen war. Nicht die Spiegeltür eines Badezimmerschrankes, den W. noch nie ausstehen konnte und eigentlich am liebsten in Berlin hängen gelassen hätte. Nein, da war ein Stück Berufsehre in hunderttausend feine Haarrisse zersprungen. Und ich fürchtete sehr, dass nun einem der drei Männer das schwere Klavier aus den Händen rutschen würde.
Vorgestern kam per UPS die Ersatzspiegelschranktür. Eingewickelt in einen halben Kilometer Luftpolsterfolie. Ich wickelte sie aus und besah sie von hinten und von vorne, bis ich verstand: wir hatten nur die Ersatztür geliefert bekommen. Nun fehlte mir die halbe, ganz gebliebene, als Muster in die Werkstatt mitgegebene Originaltür. Ich rief bei Zapf an. Zuerst verstand man mich nicht. Dann wurde ich verbunden. Eine freundliche Frauenstimme versprach, sich zu kümmern. Gestern rief sie an, entschuldigte sich, man sei noch nicht fündig geworden. Heute rief sie an, entschuldigte sich, es tat ihr irgendwo sehr weh, das hörte ich, was sie mir zu überbringen hatte. In der Werkstatt sei das Muster, die unbeschadete linke Originalhälfte der Spiegeltür unseres Badezimmerhängeschranks, nach der Maßanfertigung der Ersatztür „entsorgt“ worden.
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