Donnerstag, 2. Januar 2020

Stille

Mein Freigänger getraut sich seit 56 Stunden nicht vor die Tür. Die Nachbarn haben längst aufgehört zu böllern und zu ballern, sitzen ausgeschlafen vor dem Fernseher. Und Herr Rasputin sitzt stundenlang hinter seiner Katzenklappe und schaut hinaus in die tonlose Welt. Versunken in andächtiger Trauer. Dann trinkt er, wie um sich abzulenken. Wie ein Säufer. Schlürft er vom klaren Regenwasserstrahl seines Katzenbrunnens. Setzt sich wieder in den Flur hinter die Verführung. Sein offenes Tor zur Welt! Ich habe zum Neuen Jahr die Batterien ausgewechselt. Damit die hightech nicht versagt. Dann kreist er um seine Katzenklos. Wer viel trinkt ... Er kann sich nicht entscheiden, ob er oben oder unten pinkeln möchte. Übt Treppensteigen. Auf und ab. Träge und unentschlossen. Setzt sich wieder hinter die Klappe. Am liebsten würde er, wie immer, draußen eine Runde drehen und dabei erledigen, was zu erledigen ist. Ich öffne ihm die Tür. Das ist ihm eindeutig zu viel. Er duckt sich, flieht, braucht erstmal einen kräftigen Schluck. Fressen mag er nicht. Ich versuche es mit der Terrassentür im Wohnzimmer. Er schleicht mit eingezogenem Schwanz in die Sauna. Es ist dunkel und still. Mein Kater traut dieser Stille nicht.

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