Freitag, 27. Juli 2018

Blutmond

Er hat uns alle gefoppt. Wir standen zu Dutzenden, Hunderten auf dem Deich im warmen ablandigen Abendwind. Ich erwischte das letzte Sonnenuntergangslicht über Büsum und die andern starrten alle in die entgegengesetzte Richtung. Vergeblich! Eine gute halbe Stunde zähle ich heranfahrende Autos und mit monströsen Aufnahme- und Sichtgeräten bewaffnete Väter. Nichts. Nörgelnde Kinder. Blendende Autos. Die Rückfahrt erwies sich als leuchtendes Martyrium. Noch nie habe ich so viele Autos zum und vom Deich durchfahren sehen. Eine Frau winkte mir vom gegenüberliegenden Straßenrand zu und fragte, ob ich den Mond gesehen habe. Nein! Rief ich fröhlich. Aber vielleicht kommt er ja noch! Sie brach in schallendes Gelächter aus. Ich war bereits zu weit entfernt, um nachzufragen, was es da zu lachen gäbe. Tatsächlich sah ich den Mond erst, als ich die Bahnlinie überquert hatte, also wieder in meinem fernen Osten angekommen war. Die Nachbarn standen auf der Straße und zeigten mit ausgestreckten Armen in den Himmel. "Da! Da! Da! ist er". Ich sah ihn vor dem Schlafengehen noch lange allmählich aus dem Erdschatten treten und sein angestammtes kaltes Licht wieder gewinnen. Die Fahrt ans Meer war trotzdem nicht umsonst.Der Kater allerdings nimmt es mir offenbar übel, dass ich ihn so spät noch verlassen habe.

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