Sonntag, 1. April 2012

Nachttöne

Unser Chorleiter hatte uns bei einer der ganz frühen Proben im Herbst oder Spätsommer prophezeit, dass erfahrene Johannespassion-sänger, mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, ihre Partien fehlerfrei singen. Das wollte ihm damals kaum jemand glauben. Mittlerweile geht es mir genau so. Mühelos komme ich vor allem nachts über alle Ganz- und Halbtonschritte. Ich wache auf und vollführe Quart- und Sext-Sprünge, Dur- und Mollwechsel. Die Texte gesellen sich widerstandslos dazu. Die Wörter gehören nun den Tönen. Und die Töne gehören einer höheren Gewalt. Da hat sich etwas festgebrannt in meinem Hirn, unauslöschlich. Und schaltet sich selbsttätig ein oder aus. An jeder beliebigen Stelle der Passion, zu jeder  Zeit meines Lebens. Ganz ohne mein Zutun.

Meine polnische Kollegin Magda T. sagt, Bach ordne (im Sinne von sortieren, klären, in die richtige Schublade stecken) unsere Gefühle.

Während ich auf W. warte (er ist schon in der Luft Richtung Dubai), versuche ich, diese beiden Aussagen in Einklang zu bringen.

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