Für manches Ungemach ist Mann oder Frau selbst verantwortlich. Ich stehe mittlerweile vor dem Problem, dem Glück oder Unglück, dass ich blauen Schuhen nicht mehr widerstehen kann. Heute kaufte ich ein Paar hochhackige, meerblau und auf Hochglanz lackierte Pumps. In meiner Größe. Ich könnte sie also, wenn ich wollte und das passende Täschchen und Kleidchen dazu besäße, tragen. Aber ich will sie natürlich nicht tragen. Schon um der armen Füße willen. Die Zehen und der Mittelfuß schmerzen allein beim Gedanken an den hohen spitzen Absatz. Nein, ozeanblaue Schuhe kaufe ich nur für meine weißen Wände.
Zu meiner Verwunderung fragte mich die Dame an der Kasse, ob ich die Schuhe mit oder ohne Schachtel nach Hause nehmen wolle. Ich kaufte die Schuhe nämlich nicht in einem Schuhgeschäft. Von professionellen Schuhverkäuferinnen bin ich diese Frage gewohnt. Aber von einer Kassiererin, die ungerührt Bargeld oder Kreditkarten für Männerdessous, Korbstühle oder sizilianisches Balsamico entgegennimmt, überraschte mich diese Frage. Es ist nicht nur in Meldorf so, dass in der Gärtnerei an einem lauen Sommerabend Jazz gespielt wird oder beim Optiker Modelleisenbahnenschienen durchs Schaufenster führen. Überall auf der Welt kann man in coffeeshops Wintermäntel oder Kosmetikspiegel erwerben, in den Buchhandlungen Autos gewinnen, beim Innendekorateur zu Mittag essen und so weiter. Die Verkäuferin, die mich nach der Schuhschachtel fragte, räumte, nachdem ich die Frage bejaht hatte ("ja, ich möchte bitte die Schuhe in der Schuhschachtel nach Hause tragen"), resolut sämtliches Stopf- und Schonmaterial aus der Schachtel heraus. Das Seidenpapier, in das der linke Schuh eingewickelt war, das Seitenpapier, in das der rechte Schuh nicht mehr eingewickelt war, weil ich ihn anprobiert hatte, die zusammengeknüllten Seidenpapierballen, welche die Spitzen beider Schuhe ausfüllten sowie die beiden Einwegschuhspanner, welche die Form der Schuhe für den Transport sicherten. Das alles warf die Dame an der Kasse mit einer Entschiedenheit in diverse Abfallbehälter hinter und unter ihrer Kasse, dass ich starr vor Schreck nicht zu protestieren wagte. Die Schuhe hatten einen Heimweg von über einhundert Kilometer vor sich! Die Nächte an der Nordsee sind bereits empfindlich kalt! Stürme mit Windstärke acht sind angesagt! Der bunte Lack muss unzerkratzt bleiben, sonst akzeptieren ihn meine weißen Wände nicht! Und dann bliebe mir - nicht auszudenken! - am Schluss doch nichts anderes übrig, als die Schuhe irgendwann, wenn mir ihr unaufhörliches Jammern und Zetern im Schrank den letzten Nerv raubte, ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen: sie über meine armen Füße zu stülpen und am Sonntagnachmittag mit ihnen am Strand spazieren zu gehen ...
Das einzige, was mit den Schuhen in der Schachtel verblieb, war ein Plastiktütchen mit zwei quadratischen Absatzgummisohlenflicken mit Profil und fest verbundenem Metallstift zum Eindrehen. Ich traute meinen Augen nicht. Ich werde eines Tages meine pazifikblauen Lackpumps von der Wand herunterholen und ihre Absätze selber neu besohlen müssen. Shoe ist yourself!
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