Donnerstag, 16. Oktober 2008

Das Baumhändeangebot

Das Kuratorium "Baum des Jahres" tagte im Berliner Zoo und erkor den Berg-Ahorn zum Baum des Jahres 2009.

Bäume, entnehme ich den Pressemeldungen, haben Beine und Gefühle. Denn längst sei der Baum der Alpen auch in "deutsches Mittelgebirge"und in "flaches norddeutsches Land" gewandert, wo er sich als Park- und Straßenbaum, als Feldgehölz und im Wald "ausgesprochen wohl" fühle. Daraus schließe ich, dass es dem Berg-Ahorn ähnlich ergeht wie mir.

Um mir selbst dies zu beweisen, bin ich sofort auf die Schleswiger Straße hinausgelaufen. Es wurde gerade hell und ich zählte zuerst unsere Eulen (heute: 2/4 - gestern: 4/3) und inspizierte danach das über Nacht gefallene Laub. An der Straße vor unserem Haus stehen drei Ahornbäume in drei verschiedenen Größen. Für jedes Alter einer. Vor der Eingangstür wächst der größte Ahorn. Rechts daneben, vom Haus aus gesehen - oder links, von der Straße aus gesehen - in südlicher Richtung, vom Erdmittelpunkt aus gesehen - steht der mittlere Ahorn. Und noch ein paar Schritte weiter nach Süden, neben dem neuen kastanienbraun lasierten Holztor vor der gepflasterten Auffahrt zur halben Garage, behauptet sich der kleinste Ahornbaum. Er ist der jüngste und schnellste, er hat bereits alle Blätter abgegeben. Im mittleren ducken sich nun die kleinen Eulen in durchsichtigem Gelb. Der Baum verliert die Blätter erbarmungslos, von den Astenden her zur Baummitte. Halbe Äste ragen kahl in den Morgenhimmel, rund um den Hauptstamm trotzen die verbliebenen Blätter, wie ein Baumwipfel im Baum, Wind und Wetter. Im großen Ahorn pennen selig die alten Eulen. Sie haben noch guten Schutz und ich bin nicht sicher, ob ich tatsächlich jede dieser Schlafmützen entdeckt habe. Die Blätter an den nach Süden abgehenden Ästen leuchten bereits in einem kräftigen Sonnenuntergangsgelb, während die restlichen noch unverdrossen grün sind. Ein zweifarbiger Baum, wie ein halbseitig gelähmter Mensch. Die Blattprobe ergab: Spitzahorn.

In der Zeitung lese ich, die fünffach gelappten Blätter aller Ahornarten erinnerten an "gespreizte Baum-Hände". Sie sollen im Volksglauben "Zauberer und Hexen" fernhalten können. Auch herrsche in Europa der Aberglaube, Ahornholz als Türschwelle würde "unheimliche Wesen aller Art abschrecken". In den Alpen stellten deshalb die Menschen belaubte Ahornzweige ins Fenster.

Unsere Häuser bewahren drei Ahornbäume verschiedenen Alters: der Älteste schützt die Haustür, der mittlere die Sauna, der jüngste die offene Auffahrt zum Garten. Die Eulen schlafen - wie bereits mehrmals an dieser Stelle gesagt, aber es kann nicht oft genug wiederholt werden - nur in den Ahornbäumen, sie hocken auf Ahornholzzweigen, umgeben von Ahornbaumhänden. Die viel mächtigere Edelkastanie verschmähen sie, ganz zu schweigen vom Apfelbaum, der Eberesche, der Pappel, der Felsenbirne oder der Ölweide. Auch Eulen sind also abergläubisch. Oder der Ahorn ist sicherheitstechnisch auch für Raubvögel zuständig.

Falls jemand Bedarf hat an Unheil ergreifenden und somit Unheil abwendenden Baumhänden, hier mein Angebot:
- Ahornlaub ab sofort umsonst abzuholen für Selbstfeger, Selbstsammler und Selbstpacker
- Ahornlaub bereits abgepackt ab sofort gegen eine geringe Schutzgebühr abzugeben

Derzeitiger Lagerbestand:
1 x 120 L Biotonne gefüllt mit Ahornlaub (Achtung: wird nächsten Montag von der AWD geleert)
4 x 60 L Laubsack gefüllt mit Ahornlaub (Achtung: werden am 31. Oktober im Rahmen einer außerordentlichen, zweimal jährlich stattfindenden Abfuhr "Baum- und Strauchschnitt" von der AWD abgeholt)
3 Haufen Ahornlaub undefinierter Größe

Voraussichtlicher Ertrag bis zum Ende der Ahornblättersaison ab dem heutigen Tag:
mindestens jeden zweiten Tag 1 x 60 L Laubsack bis oben gefüllt

1 Kommentar:

  1. Das ist eine gute Idee. Ich habe dasselbe Angebot, aber für Laub vom Nussbaum. In seinen Ästen wohnen keine Eulen, aber ein Buntspecht klopft sich die Nüsse daran auf. Ich wollte letzthin ein paar Sonnenstrahlen im Liegestuhl geniessen. Aber der Specht hat gehämmert wie ein Handwerker.
    Frieda

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