Der Tischler, der unsere Bücherschränke baut, stürzte von der Leiter und brach sich beide Fersen. Nun liegt er mit hochgelagerten Beinen im Krankenhaus. Wie gut, denke ich, dass er sich wie eine Katze auf die Füße fallen ließ und nicht auf dem Rücken oder Hinterkopf gelandet ist. Nun wird er in den nächsten Wochen, ja Monaten nicht auf den eigenen Füßen stehen können, aber irgendwann, wenn die knöchernen Abrisse im Bereich des Achillessehnenansatzes mit einer Spickdrahtosteosynthese oder einer Schrauben- bzw. einer Zuggurtungsosteosynthese oder einer Spongiosaplastik sowie einer Plattenosteosynthese versorgt sind, und die Schmerzen die Bruchenden verlassen haben, wieder auf die Beine kommen. Unser Wohnzimmerdurchbruch bleibt derweil weiterhin im unverkleideten Rohzustand, ich kann täglich aufs Neue die Dicke der früheren Brandmauer bestaunen und mir Gedanken darüber machen, was wäre, wenn der Maurer keine Stahlträger über der Wandöffnung eingemauert hätte. Wenn das Mauerwerk nicht fachgerecht eingeschnitten, der Schotter nicht entfernt, der Türsturz nicht verputzt worden wäre. Natürlich sind solche Gedanken müßig. Die Öffnung ist funktional – wir gelangen ohne zu stolpern und ohne von den oberen Stockwerken erschlagen zu werden von einem Haus ins andere.
Belastungsunfähigkeit ist das Zauberwort. Es steckt in den schmerzenden Fersen unseres Tischlers und steht gegen die Belastungsfähigkeit der beiden Stahlträger IPB 140 am neuralgischen Punkt unserer Häuser, über der weit offenen Verbindung. Die Beweglichkeit im Gelenk zwischen Sprungbein und Fersenbein ist an beiden Füßen des Tischlers aufgehoben. Wahrscheinlich sind beide Rückfüße angeschwollen, die Fersenregion an beiden Füßen verbreitet, womöglich haben sich an beiden Füßen Blutergüsse ausgebildet. Das Fußgewölbe, die wichtigste Stütze unseres Knochenapparates, ist ein ähnliches architektonisches Kunstwerk wie die Kuppel des Petersdoms in Rom. Die Fußgewölbe des Tischlers, der unsere Schränke baut, sind an beiden Füßen abgeflacht und tragen ihn nicht mehr durch die Welt.
Unser Tischler hat beim „pausieren“ prominente Kollegen. Der tränenreiche Dopingsünder Erik Zabel fiel im Oktober 2004 von der Leiter in seinem Haus, brach sich das linke Fersenbein und konnte nicht am Weltcuprennen Paris-Tours teilnehmen. Die Zermatterin Fränzi Aufdenblatten brach sich im März im Südtirol beim ersten Skitest mit Rossignol das rechte Fersenbein, steht aber mittlerweile wieder auf den Ski, unvernünftigerweise wieder auf Rossignol. Der Erfurter Radprofi Sebastian Lang, erlitt am 22. Mai auf der zweiten Etappe der Katalonien-Rundfahrt bei einem Sturz einen Fersenbruch, nachfolgend bildeten sich Einblutungen in das Knochengewebe, so dass er die Saison hauptsächlich zu Hause auf dem Sofa verbrachte. Der „Fersenbruch“ ist aber auch eine Straße in Gelsenkirchen.
Ob Ortsteil, Trümmerbruch, unkomplizierte Gelenkfraktur, komplizierter Bruch mit bedeutsamen Stufenbildungen in den Gelenkflächen oder Entenschnabelfraktur – die Sache zieht sich hin. Sicher ist, dass der Tischler bis zur absehbaren Wundheilung die Beine hochlagern muss. Und danach darf er jedes betroffene Bein einer Teilbelastung von höchstens zehn bis fünfzehn Kilogramm aussetzen. Dazu gibt es Gehbügelentlastungsapparate oder Fersenentlastungsschuhe. Wie die funktionieren, weiß ich nicht. Das werde ich mir vom Tischler erklären lassen, wenn er die Schiebetüren in unseren Wohnzimmerdurchbruch einbaut.
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