Donnerstag, 2. Mai 2024

Morgensonne

Seit zwei Nächten brennen keine Straßenlaternen mehr. Es ist stockfinster wie auf der Hallig oder im Himalaya. Vielleicht ist das neu seit dem Ersten? Wunderbarer Sternenhimmel!

Aber gegen 5 Uhr wird es hell vor meinem Schlafzimmerfenster. Gestern fragte mich die Nachbarin, ob ich draußen geschlafen habe? Irritiert schüttelte ich den Kopf. It's not the season ... not yet! Obwohl die Nachttemperaturen es durchaus zuließen. Die Tagestemperaturen sowieso. Aber wer schläft schon tagsüber draußen im Garten? Erstmal fängt der Tag an, und ich gönne mir zum ersten Mal im Garten am Wattenmeer auf dem frisch gepflügten (vertikutierten) Feld (Rasen) Qigong am Morgen mit meinem vietnamesischen Mönch in Kalifornien. Zunehmender Wind aus Ost. Dann Rasentreten. Und Rosenbinden. Sie brechen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Der Garten manifestiert in der Morgensonne eine unheimliche Kraft.

Mittwoch, 1. Mai 2024

Baumliebe

Nun folgen die ersten. Beginnend mit dem ersten Mai. Der Apfelbaum blüht! Und die Edelkastanie schießt endlich aus. Sie ist immer die letzte. Ein Nachbar fragte schon, ob sie krank sei. Nein, die Edelkastanie ist gesund! Sie fordert uns nur etwas Geduld ab. Mit schönster Regelmäßigkeit. Im Frühjahr und im Herbst. Sie bekommt als letzte von allen Bäumen rundum Blätter und verliert sie entsprechend erst dann, wenn rundum alles schon kahl ist. Aber auf den Baum ist immer Verlass! Auf die Vögel ist Verlass. Die Starenkäste sind besetzt. Die Meisenkästen ist besetzt. Und die Amseln, die Spatzen, die Sperlinge, die gelben und grünen, die Rotkehlchen sind schon lange dabei. Sogar die Eichhörnchen rupften an meinen tibetischen Gebetsfahnen, um ihren Nachwuchs in einem gut gepolsterten Nest empfangen.

Dienstag, 30. April 2024

Steinesammeln

Nun aber! Der letzte Apriltag, der allerletzte Vertikutiertag. Es verbleibt mir die Nordseite. Eine letzte Mittagsruhe. Und dann ein letztes Mal ein Kabel quer über die stark vermooste Fläche spannen, so dass es nicht gleich durchschnitten wird. Geduldig das, was vom Rasen übrig ist, abschreiten. Die Nachbarsbuben, den beiden Großen voran Friedrich der Kleine, wollen "zu Caruso". Betreten stehen sie vor dem Beet aus dem die Stauden üppig schießen. Von den Schneeglöckchen ist noch ein Büschel sehr sehr saftigen Grüns übrig. Vor ein paar Tagen streute ich zwei Handvoll Halb- oder Ganz- oder Garnicht-Edelsteine in das Beet. Im Sinne einer sinnvoller Zweitverwertung. Gegen die Wegwerfgesellschaft. Zerrissene Lapislazuliketten oder Rosenquarzwinzlinge. Zersprungene Jadearmreifen. Falsche Perlen. Die Buben klauben mit leuchtenden Augen bunte Steine vom Gemeinschaftsgrab meiner beiden Schwarzen Kater.

Montag, 29. April 2024

Sonnenmontag

Die Welt ist wie ausgewechselt. Es ist warm am Wattenmeer: Warm, windstill, sonnig. Die Nachbarin gut gelaunt wie lange nicht mehr. Ich nehme mir vor, zum letzten Mal den Rasen auf der Südseite und auf der Ostseite zu vertikutieren. Aus reiner Vernunft und Fürsorge, denn nach dem nassen Winter ist er längst nicht so vermoost wie in früheren Jahren. Also einfach einmal längs und einmal quer mit der Maschine rüber. Und danach über den Sommer einmal wöchentlich lüften. Hingebungsvoll im Morgengrauen über den Rasen marschieren, mit leicht gebücktem Kopf, leise tröstende Worte murmelnd oder auch nicht. Die Nachbarn schlafen noch oder lachen mich aus. Das Resultat aber spricht für sich: die Maschine holt so wenig Moos aus dem Boden, dass ich es bequem in der Biotonne unterbringe. Ein Lob auf  Morgenmeditation mit Rasennagelschuhen (siehe insbesondere das "Fazit")!

Sonntag, 28. April 2024

Tomatensonntag

Viele Dinge, so nehme ich mir ernsthaft vor, tue ich nun zum letzten Mal, dafür aber mit besonderer Hingabe. Bewusst. Tomaten pikieren. In den vergangenen Jahren schob ich es brav vor mir her. So lange es nur ging. Denn die Zeit läuft. Unerbittlich. Der Frühling kommt. Die Natur ruft. Schön romantisch!

Das hatte nie etwas mit Prokrastination zu tun. Beileibe nicht. Sondern nur mit Pikieren. Pikieren ist anstrengend. Pikieren ist mühselig. Pikieren dauer immer länger als gedacht. Jedes Jahr dasselbe, mit sturer Regelmässigkeit wie Weihnachten oder Geburtstag: Viel zu viele Pflänzchen. Die wundersame Vermehrung von Samengut. Und viel zu wenig Erde. Viel zu wenig kleine Pflanztöpfchen. Meist ist es auch Sonntag wie heute. Und keine Chance, an frische Anzuchterde zu kommen. Ich weiß nicht wohin mit dem zarten Grün.

In meiner allerletzen Tomatenpikierverzweiflung rufe ich S. an. Auf S. ist Verlass. Eine halbe Stunde später steht sie in meinem Garten und nimmt mir alles ab, was mir zuviel ist.

Samstag, 27. April 2024

Probensamstag

Heute proben wir in Meldorf mit dem immer noch amtierenden Interimsvakanzvertreter von 10 bis 18 Uhr am Messiah. Ein letzter Kraftakt vor dem Konzert an Himmelfahrt. Mit erhobenem Zeigefinger hat er - der mit Abstand Jüngste im Saal! - uns am Donnerstag zum Abschluss der üblichen Donnerstagsprobe eine Hausaufgabe aufgegeben: JEDE und JEDER bringt etwas zu Essen für ALLE mit. Damit wir durch die 8 Stunden ehrenamtlicher Wochenendarbeit kommen. Niemand muckste. Er hat uns sogar das Schweigen beigebracht!

Jeder für alle und alle für einen. Mich hat der gestrige Ausflug nach Heide so sehr beflügelt, dass ich seit Sonnenaufgang in der Küche stehe.

Freitag, 26. April 2024

Musikerliebe

Was Anfang März in Meldorf stattfand, wurde heute abend auch in Heide absolviert: die Kandidaten für die vakante Kirchenmusikerstelle stellten sich vor. Es waren nur zwei, was für den Chor Erleichterung brachte, ein Drittel weniger sängerische Geduld und Kraftaufwand. Es waren nur Männer. Aber beide mit der Musik verbunden und mit Musikerinnen liiert. Der eine (der ältere) schon länger. Der andere (der jüngere) weniger lang. Aber beide sozusagen ihr ganzes Leben lang. Und dann kam das déjà vu. Das Feuer aus Apulien! Und die obligate Frage aus dem Sopran: ob er, der zweite Bewerber Kinder habe. Der erste hat drei, davon zwei schon mehr oder minder Erwachsene. Noch nicht, lautete die Antwort des Südländers. Und seine schwarzen Augen blitzten.