Sonntag, 13. Juli 2014
a posteriori
Natürlich hat Wojtek recht. Die Schweiz ist ein durchlöchertes Land. Heute mehr denn je. Nicht nur der Emmentaler hat Löcher, auch die Alpen, jede kleinste Erhebung. Jedes Kind wächst mit dieser Erfahrung auf. Jede Fahrt, ob mit dem Zug oder mit dem Auto, führt früher oder später durch einen Tunnel. Bald wird man nur noch unterirdisch reisen können in diesem winzigen Land, das aus allen Nähten platzt. Die Schweiz suchet ihre existenzielle Erlösung, das nationale Überleben, die absolute Sicherheit unter dem Erdboden. Wie der Protagonist aus Kafkas letzter, unvollendet gebliebener Erzählung Der Bau. Polen hingegen verbindet mit dem Unterirdischen eine konkrete körperliche Bedrohung, Schweiß (Bergbau) und nationale Demütigung (Warschauer Aufstand). Im kollektiven Bewusstsein Polens steht das Schlussbild aus Wajdas Film Kanał (Der Kanal): wie die Partisanen in Warschau aus den Kanalisationsschächten steigen, verdeckt, aber kurz voller Hoffnung - bis sie erkennen, dass direkt vor den Füßen von bis an die Zähne bewaffneten NS-Soldaten das Tageslicht wieder erblicken.
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