Freitag, 13. September 2013

Das offene Fenster

Imre Kertész zieht in seinem neuesten Interview eine bittere Bilanz seines Schaffens. Eine bittere Bilanz des Literaturbetriebs. Eine bittere Bilanz einer "Erinnerungsindustrie", der "Holocaust-Industrie", der Aktiengesellschaft "Kertész". Der Nobelpreis habe ihn vernichtet, sagt der Nobelpreisträger. Die Interviewerin stellt die vermutlich dümmste Frage ihrer Karriere: "Kann man verzweifeln über eine Million Euro?" Kertész: "Jedem ernst zu nehmenden Nobelpreisträger ging es ähnlich."
Erich Loest ist gestern aus dem Fenster eines Leipziger Krankenhauses gesprungen. Bogumil Hrabal fiel vor 16 Jahren beim Taubenfüttern aus dem Fenster eines Prager Krankenhauses. Christian Skrzyposzek sprang vor 14 Jahren aus dem Fenster seiner Berliner Wohnung. Auch Wolfgang Herrndorf kalkulierte. Er erschoss sich kürzlich in den späten Abendstunden in Berlin am Ufer des Hohenzollerndamms.
Imre Kertész zieht eine bittere Bilanz seines Lebens. Er habe einen Fehler begangen: "... dass ich nicht zur rechten Zeit über meinen Tod verfügt habe."

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