W. ist bereits auf dem Weg nach China. Im Moment sitzt er im Taxi auf der Autobahn nach Hamburg. Danach fliegt er über Kopenhagen, Beijing nach Guangzhou.
Ich besichtige derweil mit einem Pomologen den Garten. Er erklärt mir, dass die Blüten des Apfelbaums momentan im „Mausohrstadium“ sind.
Wann W. wirklich ankommt, weiß ich nicht. Morgen. Unsere Tage beginnen und enden nun zu verschiedenen Zeiten.
Ich dachte immer, das erste, was im Frühjahr aus den Bäumen treibt, seien die Blätter. Nein, berichtigt mich der Pomologe. Beim Apfelbaum kommen zuerst die Blüten. In Dithmarschen, erklärt er weiter, sagt man, sehen diese jungen, nur wenige Tage alten Blüten aus wie die Ohren von Labormäusen. Und anderswo? Will ich wissen. Das kann er mir nicht sagen.
W. fliegt nicht nur in eine andere Tageszeit sondern auch in eine andere Jahreszeit. Bestimmt ist die Apfelblüte in Südchina schon vorbei. Und in der Hauptstadt wachsen längst keine Bäume mehr.
Warum Versuchsmäuse? Frage ich den Pomologen. Er ist kein Chemiker. Er arbeitet nicht im Labor. Er sammelt Dithmarscher Apfelsorten. Sucht die Namen aus alten Urkunden, Briefen, Legenden, Geschichten. Katalogisiert sie. Und macht sich dann auf die Suche nach den Bäumen. Auf den Feldern.
W. verlässt nun meine Zeit. Bis er sie wieder betritt, haben die Apfelblüten im Garten das Stadium der Mausohren überwunden und sind in einem ganz anderen Namen angekommen.
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