Dienstag, 31. Januar 2012

Aufbruch

Am Nachmittag bin ich unter einer eisigen Sonne fast erfroren auf dem Fahrrad durch die Feldmark - auf dem Weg nach Hause, also nach Osten. Gegen einen feurigen Wind aus Sibirien. Stärke sechs oder sieben. Ich weiß es nicht. Er spricht nur russisch und hat von Windchill nie etwas gehört. Ich verfluche ihn in den absonderlichsten Tönen. Aber es hilft nichts, kostet nur Kraft. Und Tränen. Die Luft ist vollgepackt wie eine Autobahn vor Ostern. Hunderttausend dünne, spitze Nadeln schießen geradewegs auf mich zu. Auf Augenhöhe.
Am Abend packe ich schweigend einen Koffer. W. verreist morgen früh. Trotz Kälte.

Montag, 30. Januar 2012

Adelgunde

In Meldorf findet die 46. Mahnwache statt. Trotz eisiger Kälte: 18 Uhr, Südermarkt. Ich fahre stattdessen zum Blutabnehmen nach Heide, meine Schilddrüsenwerte sollen noch einmal überprüft werden, deshalb kann ich das bequem vor der Chorprobe am Abend erledigen. Der Kalender meiner Basellandschaftlichen Zeitung sagt, dass heute Adelgunde Namenstag hat. Die Heilige Adelgundis gilt als eine der Nothelferinnen. Sie gehört in meine katholische Kindheit, in die Fürbitte Sankt Adelgundis uns bewahr vor Fieber, Krebs und Todesgfahr (sic!).

Samstag, 28. Januar 2012

Kälte

Die erste richtige Kälte dieses Winters in Dithmarschen. Klarer Himmel, sowohl nachts wie tagsüber. Es gibt nichts Schöneres!

Freitag, 27. Januar 2012

Schnee

Der erste Schnee dieses Winters in Dithmarschen. Und alle sind wir sofort auf den Beinen, mit Schaufel und Besen, Mützen und Stiefeln. Herrlich!

Sonntag, 22. Januar 2012

Bach 2

dito
Ich wusste nicht, dass Singen mehr Energie frisst als beispielsweise Lesen. Oder Übersetzen. Schreiben.

Samstag, 21. Januar 2012

Bach 1

Ich bin kaum angekommen, schon Intensivprobe Johannespassion. Todmüde. Diese nachmittägliche Reise in den Nachbarort kostet mich mehr Kraft als die Reise nach Warschau. Für 4 Stunden Probe bin ich doppelt so lange unterwegs, obwohl die reine Fahrzeit von Meldorf nach Heide genau 9 Minuten beträgt. Aber mit Fußwegen,  Wartereien, Bummeleien, da der Zug nur einmal pro Stunde losfährt und und und ... ein ganzer Arbeitstag!

Donnerstag, 19. Januar 2012

Der Nachhauseweg

Ich verlasse Warschau im Morgengrauen. Das Taxi holt mich um 04.30 beim Kilinski-Denkmal ab. Der Fahrer warnt gleich, das würde eine Rutschpartie. Aber er fahre seit 20 Jahren unfallfrei. Es schneit. Schon lange habe ich die Stadt nicht mehr zu dieser Tageszeit gesehen. Nur ein paar verstörte Menschen sind mit ihren Hunden unterwegs. Wir schlittern bei Rot über eine gottseidank autofreie Kreuzung.
Der Flug ist pünktlich, um 9 Uhr bin ich beim Frisör an der Gärtnerstraße, um 11.23 hole ich am Bahnhof Altona W. ab. Wir gehen ins Balzac Kaffee trinken. Es regnet und die Frau ist müde. W. schlägt zur Akklimatisierung Kino vor.  Den "deutschesten" Film über Goethes Faust, des es angeblich gibt. Von Alexander Sokurow, einem Russen, Tarkowski-Schüler, der kein Wort deutsch spricht und für den Film den letzten Goldenen Löwen gewann. Dann Qi Gong und Tai Chi, das mangels Nachfrage ausfällt. So komme ich bereits um 21.02 in Meldorf an.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Bednarska

Ich treffe mich mit meinem alten Freund und Mentor zum Mittagessen in der neuen Universitätsbibliothek. Unten am Weichselufer. Dort, wo ich während meines Studiums in Warschau zwei Jahre lang in der Mensa gegessen hatte - die es längst nicht mehr gibt. So wie es jene Zeiten längst nicht mehr gibt. Der eisenbahnbegeisterte Wojtek ermuntert mich zu meinem "Studium der Abwesenheit"  und erzählt von seiner neuesten Entdeckung: Włodzimierz Budzyński. B. schrieb in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstaunliche Reiseberichte über Deutschland und die Schweiz. zB beginnend mit dem Kapitel "Das Ende am Anfang". Dieser Autor, sagt Wojtek, sei vollkommen vergessen. Es gebe eine einzige Zeile in einer Zeitung, in der seine neueste Veröffentlichung angekündigt werde. Ich gehe im Schneetreiben durch die Bednarksa nach Hause.

Dienstag, 17. Januar 2012

Winter in Warschau

In der Nacht fiel viel Schnee. Die erste richtige Frost. Der erste stahlblaue Himmel. Ich arbeite. An mir, an meinem Text, an meiner Erinnerung.

Montag, 16. Januar 2012

Buchumschlag

In Meldorf findet die 44. Mahnwache für gegen Atomkraft statt und ich finde in Ursynow unter einem Wust von Dateien das richtige Bild für den Umschlag meines polnischen Japanbuchs. Warschau ist von Meldorf nur gerade knapp eintausend Kilometer entfernt. Mit dem Auto, wie der Routenplaner ausrechnet, in 9 Stunden und 44 Minuten zu erreichen.

Sonntag, 15. Januar 2012

Sonntag

Sonntag in Warschau. Ich sitze allein mit meinem Meister eine Stunde im Café. Und kehre an meine Arbeit zurück.

Samstag, 14. Januar 2012

Cecylias Wohnung

Zum ersten Mal betrete ich Cecylias Wohnung. Sie ist am gleichen Tag gestorben wie mein Schwiegervater. Wir tragen die letzten Möbel die drei Treppen hinunter. Ich staune über den weiten Himmel über der Weichsel vor ihrem Fenster. Als sie starb, war sie fast ganz blind, fast hundert Jahre alt. Es fängt an zu schneien.

Freitag, 13. Januar 2012

Freitag, der Dreizehnte

Ich habe nicht verschlafen in Hamburg, finde den Weg zu Fuß zum Flughafen, bekomme ein Frühstück und lande pünktlich in Warschau. Fahre mit dem Bus in die Innenstadt und bin um 11.05 am Tisch meines Meisters!

Donnerstag, 12. Januar 2012

Unterwegs

Motion in time: Ich mache mich auf den Weg nach Warschau. Mit leichtem Gepäck und letzten Korrekturen.

Dienstag, 10. Januar 2012

217

217 Monate sind wir heute verheiratet. Die Sonne zeigt sich freundlicherweise am Himmel über dem Wattenmeer. Der Wind hat sich gemäßigt. Ich sammle Heruntergefallenes rund ums Haus auf.

Montag, 9. Januar 2012

Sturmstärke 12

Vollmond. Leichtfüßig gelangen wir über die Pyrenäen und tauchen wieder in den Nebel Mitteleuropas ein. Zu Hause herrschten während unserer Abwesenheit Winde und Stürme bis Stärke 12. Aber das Haus steht noch, die Tannen, das Dach.

Sonntag, 8. Januar 2012

Santa Ana

Sonntag. Santa Ana von Triana. Angeblich die schönste Kirche Sevillas. Sonntags für Touristen geschlossen. Die Weihnachtskrippen auf den Strassen und in den Parks werden abgebaut. Früher wohnten hier, am linken Guadalquivir-Ufer, Zigeuner und Stierkämpfer. Dann wurden sie in Neubauviertel am Rande der Stadt zwangsumgesiedelt. Und ihre Häuser - herausgeputzt, gekachelte Eingänge, verschattete Dachterrassen - sind heute begehrte Adressen. Noch früher, am 12. Oktober 1492, veränderte ein Wort des Matrosen Rodriges aus Triana die Welt: Tierra! Land! Vom Mastkorb der "Pinta" aus sichtete er als erster eine der Lucayainseln.

Samstag, 7. Januar 2012

Grillparty

Wieder ein wunderschöner Sonnenaufgang. Wir fahren wieder zurück nach Sevilla. Die Temperaturen steigen wieder kontinuierlich. Auf über 20°. Erste Fahrt mit der Metro bis Puerto de Jerez. Am Nachmittag Grillparty mit Flamenco-Leuten. Alle sehen etwas weihnachtsmatt aus. Am Abend Winterschlussverkauf auf der Calle Sierpes. Viele laute Menschen. Nochmals Desigual. Nochmals Olivenöl. Nochmals Tapas.  

Freitag, 6. Januar 2012

Alpenglühen

Ein unendlich langer Sonnenuntergang zieht vor unserem Hotelzimmer vorbei. Und im Hintergrund glühen die Alpen.

Alhambra

Die Besucherströme werden aus gutem Grund kontrolliert und kanalisiert. Wir haben Einlass von 14 bis 18 Uhr, und das Innerste, die maurischen Nasridenpaläste, dürfen wir punkt 15.30 betreten.
Danach haben wir verständlicherweise keine Lust mehr auf den kalten Putz am Palast des katholischen Kaisers Carl V.

Granada

Weihnachten in Spanien. Ruhetag. Alles geschlossen. Trotzdem angekommen. Verschwitzt. Im kurzärmligen T-Shirt, auf dem Balkon unseres Hotelzimmer. Im Hintergrund schneebedeckte Gipfel der Sierra Nevada. Angekommen nach der Fahrt durch die größten Olivenhaine Europas, bei Morgennebel und eisigen Temperaturen. Angekommen.

Donnerstag, 5. Januar 2012

Cádiz

Tagesausflug zum einst bedeutendsten Hafen der Welt. Umschlungen vom Atlantik. Alle Erwachsenen tragen quadratische Kartons nach Hause. In den Bäckereien stapeln sich Dreikönigskuchen. Einfache. Gefüllte. Verzierte. Alle Kinder freuen sich auf die Bescherung am Abend. Weihnachten findet endlich auch in dieser Ecke der Welt seine Erfüllung und W. lässt sich zur Feier des Tages die Haare und den Bart stutzen. Ich bekomme Desigual Abrig Jazz de Noche (hier zu sehen: http://shop.munichpimpstore.de/product_info.php/products_id/2189/XTCsid/ahdlpkk3ipkmktjiql3djv1f4nnimee6 )
Auf der Rückfahrt traumhaft langer Sonnenuntergang über dem Marschland.

Mittwoch, 4. Januar 2012

Das Grab von Kolumbus

Armer Kolumbus - er entdeckte Amerika und kam nicht in die Erde. Vier riesige Bronzefiguren (Allegorien von Kastilien, Aragon, Leon und Navarra) tragen seinen Sarg in der Kathedrale von Sevilla - wer weiß wohin. Sie kommen nicht vom Fleck und er nie zur Ruh. Ob wirklich seine sterblichen Überreste in dem Sarg sind, ist mehr als ungewiss. Die Gebeine irren seit Kolumbus Tod durch die Welt. Von Valladolid nach Sevilla über Haiti nach Havanna und zurück nach Sevilla. Wo 1892 dieses seltsame Grabmal errichtet wurde. Armer Kolumbus!

Dienstag, 3. Januar 2012

Flamenco

Sonne in Sevilla. Vorweihnachtstrubel. Spaziergang am Guadalquivir. Mittagessen mit dem Direktor des Flamenco-Museums. Am Abend Flamenco-Vorführung. Die Tänzer sind so stolz und so traurig und so konzentriert. Der Sänger auch. Ich verstehe kein Wort von seinem Gesang, aber ich sehe, dass die Tänzer ihn, den Sänger mit seinem Gesang brauchen. Ebenso den Gitarristen. Und den Rhythmus. Das Klatschen. Die aufwallende Energie. Aber ich verstehe überhaupt nicht, was mir erzählt wird.
http://www.flamencomuseum.com/

Montag, 2. Januar 2012

Sevilla

Während in Meldorf die 42. Mahnwache für gegen Atomkraft stattfindet, fliegen wir durch heftige Windverwirbelungen und monströs geschichtete Wolken über die Pyrenäen nach Barcelona. Und dann, ruhiger, gefasst auf alles, weiter nach Sevilla. Gehen um 10 Uhr nachts spazieren unter Bäumen voller überreifer Orangen. In überfüllten, lauten, engen Gassen. Hier fängt man gerade ausgelassen schwatzend an, sich zum Abendessen niederzulassen. Und Weihnachten ist noch überhaupt nicht vorbei, sondern steht vor der Tür. Ganz zu schweigen vom Winter, der diese Gegend der Welt ganz zu meiden scheint.