Dienstag, 2. August 2016

Die Halligschreiberin hat gelesen

Foto: Manuela A.
Für alle, die gestern nicht dabei sein konnten bei dem verbalen Feuerwerk auf Backenswarft - hier ein Trostpflästerchen:

"Strömungsarme Stellen wachsen bereitwillig. Sie liegen zwischen den vorgelagerten Inseln, Halligen, Sandbänken und dem Festland. Zweimal täglich trägt die Flut tonnenweise fein gemahlenes Gebirge auf die Watt­fläche. Sedimente der ganzen westlichen Welt dicken das Wattwasser ein und versinken erst dort, wo die Strömung nicht mehr fließt.
Strömungsarme stellen Fallen, betten organische Überreste wie Sterbende zur Ruhe. Geschiebemergel oder Gletschermilch. Sand aus der Wüste Sinai oder vom Berg Ararat. Strömungsarme stellen keine Fragen, weder nach der Staatsangehörigkeit noch nach der morphologischen Struktur. Partikel oder Abtönung. Luftsäulen beherbergen aufsteigende Naturtonreihen. Strömungsarme Stellen nutzen den Stillstand ohne Widerrede. Wachsen ihre Ablagerungen über das Mittlere Tidehochwasser hinaus, entstehen Marschen. Jungmarschen, Rohmarschen, Salzmarschen. Seemarschen erreicht das ankommende Wasser kaum noch. Die Augustsonne trocknet das neu gewonnene Land aus und schichtet die bodennahe Luft labil. Dann tanzt der Sandteufel auf. Ungestüm wie Willy-Willy errichtet er aus nichtigem Grunde kleinräumige Damenumkleidekabinen."

© Judith Arlt 2016

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