Samstag, 12. Mai 2012

Der arbeitende Samstag

Früher gab es in diesem Land einmal im Monat sobota pracująca. Einen Samstag, an dem die Geschäfte geöffnet waren und alle Menschen arbeiteten. In meinem Sprachverständnis war das immer der arbeitende Samstag. Und nie der Samstag, an dem gearbeitet wurde.
Aus Nostalgie - wer einen Satz mit "Früher" anfängt, ist alt geworden - liess ich heute meinen Samstag arbeiten. Kaffee wie üblich mit Konwicki. Und unüblich mit Kurt Weber, der Konwicki 1964 bei den Dreharbeiten zu Salto eine Watermanfüllfeder geschenkt hatte. Mit dieser Feder schrieb mein Meister alle wichtigen Romane und Drehbücher. Wir fragten uns, was ohne diesen sagenhaften Waterman geschehen wäre.
Dann die letzten Korrekturen am Japanmanuskript. Dann im Kulturpalast wisniówka (Kirschlikör) und sok z czarnej porzeczki (schwarzer Joahnnisbeersaft) mit der Verlegerin. Sie trinkt Alkohol, ich nicht. Sie, weil sie ausnahmsweise ohne Auto unterwegs ist. Ich, weil mir wieder eingefallen ist, dass in diesem Land nichts so gut schmeckt wie schwarzer Johannisbeersaft. Dann schauen wir uns in der Kinoteka den Eröffnungsfilm zur Harun Farocki-Retrospektive an. Images of the World and the Inscription of War von 1988. Immer noch aktuell: die Welt abbilden (heute würde man sagen: scannen), bedeutet nicht, sie zu sehen. Dann laufe ich durch die schwarze Nacht nach Hause, füttere die Katzen und falle ins Bett.

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