Mittwoch, 25. November 2009

Jenny Holzer

Ich fahre nach Hause über Riehen. Ich schaue mir in der Fondation Beyeler Jenny Holzers LED-Installationen an. Nicht alles gefällt mir. Wo hört der Text auf, ein Text zu sein und wo fängt ein visueller Effekt an, ein visueller Effekt zu sein? Freigegebene US-Regierungsdokumente zum Irak-Krieg, Autopsieberichte, Korrespondenz zu Verhörmethoden, allesamt an sensiblen Stellen geschwärzt - wo kommt das unter in einer Endlos-LED-Schleife? Die XXXXX - das verstehe ich bald - bedeuten Zensur. Aber kein Mensch sieht sich diese Texte an, um sie zu lesen. Kein Auge hält es aus, stundenlang diese laufenden, leuchtenden, pumpenden, springenden elektronischen Buchstaben zu verfolgen. Kein Hirn bringt es fertig, diese stunden-, tage-, wochenlang, ja endlos lang laufenden Buchstaben fortwährend zu Wörtern und Sätzen und Inhalt zu verknüpfen. So what? Wer zehn Minuten stehenbleibt und oft genug die Buchstaben "GWBUSH" oder "TOP SECRET" gesehen hat, weiß alles.
Anderes ist nett. Die frühen Truisms (von "true" = wahr, etwa zweihundertfünfzig Statements, die Allgemeinplätze versammeln, Maximen, Klischees), die Benches (Bänke aus Bethel White Granit), die Inflammatory Essays (Sammlung von Texten mit jeweils 100 Wörtern), sogar die Plaques (Bronzetafeln), die so unscheinbar sind, dass sie in den LED-Farb-Gewittern fast verschwinden.

Ich fliege nach Hause von Basel. Ich nehme meine Schlaflosigkeit wieder mit. Jenny Holzers Buchstaben tanzen in meinem Kopf. Ohne Sinn und Verstand. Keine Handschrift. Keine Druckschrift. Nur Impuls. Puls. Pulsieren. Signal. Warnlampenleuchtend rot oder gelb.

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